Volkswagen Corporate Architektur Analyse 2000
 

In Begriffen wie Volkshaus, Volkswohnung oder Volkshausrat war am Bauhaus die Idee einer gelungenen Verknüpfung von Ästhetik mit Nützlichkeit, von elementarer Einfachheit mit komplexer Funktion, von designkünstlerischem Anspruch mit industrieller Serienproduktion formuliert worden. Die Nationalsozialisten bekämpften und schlossen das Bauhaus und besetzten den Begriff „Volk“ mit ihren rassistischen Inhalten. Doch die vom sozialutopistischen Bauhaus entwickelte Formen- und Bedeutungswelt hatte sich bereits tief in die Kultur des Industriedesigns eingeschrieben, überlebte die Nazizeit und wirkt bis heute fort. Der Grundgedanke, das Serienprodukt könne schön sein, wenn es aufhörte, Handwerkliches zu imitieren; wenn seine Form geometrisch und elementar sei, so dass sie für alle Menschen gelte; wenn es Funktionen diente, anstatt gesellschaftliche Unterschiede zu markieren: dieser Gedanke des gelungenen Volks-Industrieprodukts wurde am Bauhaus entfaltet und ist die kulturgeschichtliche Wurzel auch der Marke „Volkswagen“.

Das stärkste Naheverhältnis - innerhalb der Bauhaus-Tradition - unterhalten die neuen Volkswagen-Schauräume zum Ansatz Mies van der Rohes, das Funktionale dem Ästhetischen zu integrieren. Man denke an die Neue Nationalgalerie zu Berlin: ein schwebendes Dach über einer durchgängig gläsernen Fassade. Das VW-Schauraum-Konzept nimmt eine formale Anleihe bei diesem Kultbau der klassischen Moderne, ohne jedoch dessen Funktionsmängel mit übernehmen zu müssen – Autos ähneln schließlich nicht den Gemälden, sondern sind so etwas wie rollende Skulpturen oder mobile Architekturen; das macht sie zu passenden Ausstellungsstücken für einen gläsernen Raum. Das Sprechende von Mies´ Museumsarchitektur wird reinszeniert, ohne dafür die Funktion opfern zu müssen. Damit überlagern einander in der gläsernen Hülle der Volkswagen-Architektur in ausgewogener Mischung zahlreiche Schichten der historischen Moderne. Funktionalismus, Kristallismus, Formalismus, Symbolismus und Konstruktivismus klingen an, versuchen aber nicht mehr, einander zu übertönen. Die historischen Kontrahenten sind längst versöhnt und vereint. Ihre avantgardistischen Erfindungen wurden zum allgemeinen, festen Bestand.

Jede Glasinterpretation beanspruchte zu ihrer Zeit allgemeine Geltung. Die Geschichte jedoch hat aus jeder postulierten Allgemeingültigkeit eine kulturelle Besonderheit gemacht. Dieses historische Gesetz hat sich auch für das Konzept „Volkswagen“ als gültig erwiesen. Denn als rein rationaler, sparsamer und funktionaler Wagen für alle wurde der Volks-Wagen ersonnen. Als eine besondere Marke steht er heute vor uns. Am Bauhaus-Stil ebenso wie am Volkswagen zeigt sich, dass jedes angezielte Allgemeine zuletzt doch als ein Besonderes erkennbar wird. Diese historische Erfahrung wird in der Zusammenschau der Wagen mit der neuen Corporate-Identity-Architektur baulich sichtbar gemacht.