Daimler Chrysler Ausstellungs-Konzept für IAA Frankfurt 1999
 

...Souveränität erkennt man daran, daß etwas sich nicht zu begründen oder abzuleiten versucht. Die auf Automessen üblichen technischen Beweisverfahren kennzeichnen alle unsouveränen Konkurrenten. Dagegen unterstreicht das bloße Aufstellen der Autos, wie Kunstwerke, wie Solitäre, als Absolutheiten, über jeden Zweifel erhaben, die Stellung als Premium-Marke...

...An die Stelle weniger, deutlich sichtbarer Innovationen sind viele, wenig merkliche getreten. Die Wende von der Macro- zur Microveränderung erzeugt Darstellungsprobleme. Der Mercedes der Gegenwart brilliert dadurch, wie er die Überkomplexität der Funktionen so weit zu integrieren vermag, bis sie unter die Schwelle der bewußten Wahrnehmung sinken. Das Fahrzeug wird zur Akkumulation unbewußt gewordener Funktionen. Mercedes ist ein kultiviertes Fahrzeug, indem er das produktive Vergessen und Übersehen der tragenden Mechanismen als zentrales Moment jeder Kultivierung auf den Punkt bringt. Mit einem Benz erweist sich der Käufer als befähigt zur Wahrnehmung feiner und allerfeinster Unterschiede – als ästhetisch souveränes Subjekt...

...Das momentane Autodesign ist gekennzeichnet durch eine äußerliche Homogenisierung der Erscheinung, durch organische Formen, die den Wagen wie aus einem Guß erscheinen lassen. Silbermetallic-Lack ist die dazu passende Anleihe bei jenem postmechanischen Cyborg und Roboter, der als sich selbst organisierender Flüssigmetalltropfen in dem Film ”Terminator II” aufgetreten ist. Auch das Auto will von der Idee mechanischer Teile nichts mehr wissen, es gibt sich als biomorpher Zweitkörper, der voller geheimnisvoller, elektronischer, unsichtbarer Funktionen und Selbststeuerungen steckt...

...Diese Homogenisierung der Teile und Funktionen bietet auch ein Bild für das Verschwinden der technischen Einzelheiten im großen Ganzen des Ergebnisses. In der Summe gehen die Komponenten unter, das Auto zeigt sich als integrativ. Nichts wird exponiert, keine Vereinseitigungen werden geduldet, nichts tut sich hervor, alles hält sich zurück. Das Fahrzeug ist bescheiden, vernünftig, ausgewogen, zurückhaltend, selbstkontrolliert; damit zeigt es die Tugenden, die sein Käufer entwickeln mußte, um zum Mercedesfahrer zu werden...

...Das beinahe Unmerkliche der neuesten Innovationen läßt sich in diesem Zusammenhang umdeuten zur Verfeinerung, zur Kultivierung. Es geht um Unterschiede, deren hervorragende Qualität genau darin liegt, daß sie kaum bemerkbar sind. Indem die Messepräsentation das Auto nicht technologisch, sondern kulturell kontextualisiert, verhilft sie ihm zu einem Code, der aus dem Mangel an grober Innovation die Tugend der Verfeinerung von etwas Vollendetem macht...